Tulpenbaum in voller Pracht

Zeit kaufen - Kolumne

01. Dezember 2023 - Neulich besuchte ich einen von mir im Jahr 2008 gestalteten Garten. Es war meine erste Planung um ein gut 400 Jahre altes Fachwerkhaus herum. Seine Besitzer waren damals nicht begeistert, als ich zuerst die kaputten Koniferen, sowie Zuckerhut- und Gemeine Fichten beseitigte. Wie so vielen Häusern heute fehlte auch hier ein geeigneter Hausbaum. Eine Aufgabe, welche keines der vorhandenen, kränkelnden Gehölze je gestemmt hätte. Wichtig war den Bewohnern, dass sie ihren Hausbaum in seiner Pracht noch erleben würden. Die Wahl fiel auf einen Tulpenbaum aus der Familie der Magnoliengewächse, der botanisch Liriodendron tulipifera heißt. Sein jährliches Höhenwachstum zwischen 30 und 60 Zentimetern ist enorm. Das einzige "Problem" an diesem Gehölz ist seine späte Blüte. Es dauert gut 15 Jahre, bis ein Sämling zum ersten Mal blüht. Also kauften wir uns Zeit und pflanzten ein bereits fünf Meter hohes Exemplar aus der Baumschule, das prompt im Folgejahr in Blüte ging. Dass der restliche Garten ein einziges Staudenmeer ohne Rasenfläche, dafür mit Pfaden und Wegen durch die Pflanzung war, dürfte klar sein. Vor zehn Jahren wechselten die Besitzer, allerdings blieben Haus und Garten bis vor Kurzem unbewohnt. Der Garten hatte also gut ein Jahrzehnt lang Zeit zu verwildern. Viele der Pflanzen waren noch jahrelang präsent. Bereits nach drei Jahren waren Purpursonnenhut (Echinacea purpurea), Roter Fingerhut (Digitalis purpurea) und Duftnessel (Agastache rugosa) fast verschwunden, dann folgten Hoher Wiesenknopf (Sanguisorba officinalis) und sogar einige robuste Bahnwärter-Taglilien (Hemerocallis fulva) wurden von den immer größer werdenden Gäserhorsten verdrängt. Die imposante und bereits im März blühende Mittelmeer-Wolfsmilch (Euphorbia characias ssp. wulfenii), die dunkellaubigen Silberkerzen (Actaea simplex), viele Rosen und die verbliebenen Kerzenknöteriche (Bistorta amplexicaulis) wichen erst jüngst einer neuen Rasenfläche. Ein moderner Stabgitterzaun mit einer Kunststofffolie im Farbton einer grauen Mülltonne verhindert heute den Einblick von der Straße. Immerhin steht dort noch der Tulpenbaum in voller Pracht. Er ist längst höher als das zweieinhalbgeschossige Haus. Das er noch nie eine Säge gesehen hat, rechne ich den neuen Besitzern hoch an!

Eine meiner ersten Anschaffung an Gartenbüchern war "Das große Buch der Garten- und Landschaftsgehölze" von Hans-Dieter Warda, das unter Eingeweihten auch nur der "Warda" genannt wird. Hier werden Laub- und Nadelgehölze in Arten und typischen Sorten beschreiben. Auch wenn sich die regionalen Sortimente der Baumschulen heute stärker in Richtung Süden orientieren, verschafft dieses Werk immer noch einen sehr guten Überblick auf mehr als 3.000 heimische und internationale Gehölze.

 

▲ Übersicht der Gartenkolumne "In meinem Garten"


Die Kolumne „In meinem Garten“ erscheint seit August 2018 sechsmal im Jahr im Magazin "Im Garten". In der Kolumne schildert Gartenplaner Torsten Matschiess Erlebnisse aus dem Alltag der Gartengestaltung. Alles dreht sich um Pflanzen, ihre Verwendung und empfehlenswerte Bücher über das Gärtnern. Sie erhalten das Magazin kostenlos in vielen Raiffeisenmärkten, Volks- und Raiffeisenbanken sowie Gartenfachmärkten.


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