 
Feng Shui - Die kritische Spalte
17. November 2020 - Wussten Sie, dass die meisten deutschen Feng-Shui-Berater oder -Gärtner „Feng Shui“ falsch aussprechen?
Gerade eine Lehre, die sich mit Harmonie, Geistern und dem Fließen von Energie befasst, also für westlich geprägte Menschen etwas mit Magie zu tun hat, soll dem Wort und seiner richtigen Aussprache so wenig Bedeutung beimessen? Ich wette einen guten Champagner darauf, dass sich Faust, Franz Bardon und alle Alchemisten, Vorgänger wie Nachfolger, im Grabe umdrehen. Aber wem gefiele das Bild nicht besser, sie lachten nur laut auf, wenn sie mal wieder „Feng Shui“ statt [fɤŋ ʂu̯eɪ] hörten. Man visualisiere sich hierzu das Qi als ihr anschwellendes Kichern, das sich als Ausbruch von Heiterkeit auch belebend auf die Materie und ansteckend auf den Menschen auswirken kann. (Das wurde immerhin in der Zwischenzeit wissenschaftlich bewiesen.)
 Bei aller Klarheit und Eindeutigkeit der   Lehre in Bezug auf die Wirkungen der Elemente zueinander – Feuer   schmilzt das Metall und erzeugt die Erde als Asche; Wasser löscht das   Feuer und nährt das Holz; aus Erde geht Metall hervor und die Wurzeln   des Holzes stabilisieren die Erde – haben sich im Laufe ihrer Geschichte   zahlreiche Strömungen und Vereinfachungen etabliert. Wer wollte noch   mit einem Kompass und komplizierten Tabellen arbeiten, wenn Architekten   bereits Fakten geschaffen hatten? Oder haben Sie schon mal von einem   Haus in Kalifornien oder Nizza gehört, das auf Veranlassung eines   Feng-Shui-Meisters abgerissen wurde? Da verbauen wir doch lieber   nachträglich ein bisschen buddhistische Deko, Windspiele, Stoffe oder   Kristalle.
  Sie ahnen es schon. Es gibt keine wissenschaftlichen   Beweise für die Wirksamkeit von Feng Shui, weder in Innenräumen noch in   Gärten. Die wichtigsten Verkaufsargumente dieser fernöstlichen und sehr   alten Tradition sind ihre fernöstliche Herkunft und ihre sehr alte   Tradition, verbunden mit den New-Age-Lehren von Harmonie, Entspannung,   Ausgeglichenheit und allgemeinem Wohlfühlen. Immerhin vermeiden die   meisten Berater klug alle Versprechen, die eine Lobby des   Gesundheitswesens als Konkurrenz erkennen könnte. Das wäre auch sehr   dumm in Zeiten, wo Heilpraktiker und Homöopathen kurz vor dem   Berufsverbot zu stehen scheinen. Sensible Gemüter riechen gar noch das   Feuer.  
Wie gut, dass die hierzu weiterbildenden Schulen zur Legitimation entsprechende Zertifikate ausstellen. Diese bestätigen die erfolgreiche Teilnahme an Kursen über „Landschaft und Garten“, „Fliegende Sterne“, „Datumswahl“ oder „Business Feng Shui“ und hängen dann gern neben Weiterbildungs-Bescheinigungen in den Fächern „Erdstrahlen“, „Rutengänger“, „Fibonacci Grid“ oder „Space Clearing“. Solche Zertifikate werden selbst an Räume verliehen, in denen die Empfehlungen für die Raumsanierung befolgt wurden. Eines hängt sogar (symbolisch) in einem Finsterwalder Trauzimmer. Es wurde berichtet, dass es dieselbe Person begutachtet hatte, welche im Vorfeld die Empfehlungen ausgesprochen hatte. Den Brautpaaren dürfte es egal sein, wie solche Zertifikate entstehen.
Diese Kolumne erschien erstmalig in „Die kritische Spalte“ des Magazins Gartendesign Inspiration 5 | 2016.
